Komplexität nach dem Cynefin-Framework
Das
Cynefin-Framework ist eine Typologie in der Situationen, Probleme und Aufgaben verortet werden können. Es liefert auch Anhaltspunkte wie die analysierten Situationen bearbeitet und gelöst werden können. Folgende Domänen definiert das Framework:

Problemdomänen
Die obige Grafik zeigt die Problemdomänen des Frameworks und mit welcher Strategie man innerhalb einer solchen Domäne erfolgreich sein kann.
-
Einfach: In der einfachen Domäne ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung offensichtlich. Die Strategie ist dementsprechend: Problem erkennen, einordnen, darauf reagieren.
-
Kompliziert: In der komplizierten Domäne kann die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung ebenfalls erkannt werden, sie bedarf aber einer eingehenden Analyse. Daher ist die Strategie hier: Problem erkennen, analysieren und erst dann reagieren.
-
Komplex: In der komplexen Domäne kann die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung erst im Nachhinein wahrgenommen werden und entzieht sich einer vorhergehenden Analyse. Befindet man sich in einer komplexen Domäne muss man zuerst eine Lösung ausprobieren, daraus lernen und dann weiter reagieren.
-
Chaotisch: In einem chaotischen Umfeld existiert keine erkennbare Beziehung zwischen Ursache und Wirkung - weder vor der Problemlösung noch danach. Ein solches Umfeld kann man nur erkennen und dann individuell reagieren.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass die beiden Domänen kompliziert und komplex gerne verwechselt werden, was zur jeweils falschen Problemlösungsstrategie führt. Auch kann es sich je nach Unternehmen unterscheiden, was kompliziert und komplex ist. Fehlen in einem Unternehmen Experten zu einem bestimmten Thema, kann sich ein Problem als komplex herausstellen, was in einem ähnlichen Unternehmen, das die entsprechenden Experten hat, lediglich kompliziert ist.
Einordnung der Enterprise Architektur
In einem modernen Unternehmen befindet sich die Enterprise Architektur meiner Meinung nach im komplexen Bereich mit ein wenig Einschlag aus der chaotischen Domäne.

Diese Einordnung bedeutet:
- Die Umgebung wandelt sich schnell und lässt profunde Zukunftsvorhersagen nicht zu
- Was in der Vergangenheit funktioniert hat, muss heute nicht mehr funktionieren
- Neue Situationen und Dinge tauchen immer wieder unerwartet auf
- Ergebnisse von Vorhaben sind selbst bei gleichen Startbedingungen nicht sicher vorhersehbar
- Lösung und Feedback stehen in wechselseitiger Beziehung
- Flexible Leitlinien führen zu mehr Erfolg als starre Vorgaben
Welche Fähigkeiten benötigt eine EA-Orga in diesem Umfeld?
Im Bereich der Komplexität - am Rande des Chaos sind für eine Enterprise Architektur-Organisation vor allem folgende Fähigkeiten (“Capabilities”) notwendig:
- Eine flexible Organisationsstruktur: Es gibt nicht die perfekte Vorlage für eine Organisationsstruktur einer EA-Organisation, aber wie auch immer sie aussieht: Sie muss flexibel und veränderbar sein. Sie kann zum Beispiel aus dedizierten Vollzeit Enterprise Architekten bestehen und / oder Teilzeit-Architekten, die in Teilbereichen ebenfalls an der Enterprise Architektur mitarbeiten.
- Ein fundiertes Verständnis der Umgebung: Architekten müssen wissen, wo sie sich bewegen. Dies betrifft nicht nur Enterprise Architekten. Auch alle anderen IT-Architekten müssen das Umfeld (z.B. Geschäftsfeld, Projektanforderungen, etc.) in dem sie arbeiten kennen wie ihre Westentasche. Die wenigsten Probleme in einem Unternehmen sind IT-Probleme. Die Lösungen, die Architekten schaffen, sind auch oft nicht nur IT-Lösungen, sondern haben Auswirkungen auf Geschäftsprozesse oder Organisationen.
- Eine flexible Enterprise Architektur: In den letzten Jahrzehnten sind zahlreiche Architekturstile gekommen und gegangen. In einem hinreichend alten Unternehmen findet sich also fast jeder Architekturstil wie z.B.: Monolithen, SOAs oder Microservices. Eine gute Enterprise Architektur muss auf solche Umstände flexibel reagieren und die Architektur des Unternehmens nicht auf links drehen wollen, weil gerade ein neuer Trend aufkommt. Sie darf sich diesem Trend aber auch nicht verwehren, sondern muss eine Lösung finden, wie Altes und Neues koexistieren können.
Fazit
Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er ist die Disziplin Enterprise Architektur entstanden. Damals bewegte sie sich weitgehend in einem kompliziertem Umfeld. Der beschleunigte Fortschritt und zahlreiche disruptive Innovationen in den vergangenen beiden Jahrzehnten hat aber auch die Enterprise Architektur nicht verschont. Daher befinden wir uns heute in einer komplexen Welt, in der wir immer wieder mit chaotischen Situationen umgehen müssen. Enterprise Architekten in einem Unternehmen müssen die entsprechenden Fähigkeiten entwickeln, sich in dieser Welt sicher zu bewegen.